Die Bache

Am Rande der Straße ward
sie das erste Mal gesehen.
Wühlte im grünen Streifen;
noch wußte niemand,
was wird geschehen.

Die Straße schneidet eine
tiefe Wunde in Berg und Tal.
Sie lebt viele Jahre hier
und hat keine Wahl.

Sieht Tag für Tag Bosheit
auf schwarzem Asphalt.
Sie jagen und hetzen sich
mit wahnwitziger Gewalt.

Im Schlepptau die Kleinen.
Sie kennen die leibhafte Gefahr.
Einmal werden sie weinen.
Zu Ende ein glückliches Jahr.

Der Tag bricht an,
die Mutter aus dem Bau,
die Kleinen wissen nicht wann;
der Morgen schon grau.

Nicht an ihrem Fraßplatze gefunden.
Die Kleinen irren umher.
Mutter weg seit Stunden;
sie vermissen sie sehr.

Ein paar Meter weiter,
im dichten Geäst,
auf den Stufen der Himmelsleiter,
ihre fürsorgliche Seele
diese Welt verläßt.

Auf dem grünen Streifen
warten sie schutzlos auf die
Mutter,
die nicht kommt und
zeigt das beste
Futter.

Ein großer Knall sprengt
die Trauerrunde.
Tod und Schuld in
aller Munde.

Die Bache mit ihren
Kindern glücklich vereint.
Der selbstgerechte Fahrer
seiner Schuld keine Träne weint.

Die Tage kommen und gehen,
niemand will die Wahrheit sehen.
Die Hauptsache in dieser Not,
die Bache ist satt und tot.

(Thomas Heinze 2016, Potsdam)

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